Die Lage nach dem Unfall:
Die 64 t schwere Lok des von Klosterfelde kommenden Leerzuges war bei der Kollision entgleist und auf den Schwellen zum Halten gekommen. Die angehängten Personenwagen prallten im Bereich der Wagenkupplungen aufeinander und erlitten dadurch starke Deformationen, entgleisten jedoch nicht. Der Lokführer erlitt einen Schock.
Der 42 t schwere Triebwagen des nach Berlin-Karow fahrenden Regionalzuges wurde bei dem Zusammenstoß in ca. 2 m Höhe gehoben und im vorderen Bereich des Wagens um ca. 1,5 m zusammengeschoben. Auch bei diesem Zug prallten die angehängten Wagen aufeinander und verkeilten sich ineinander. Die beiden Lokführer wurden bei der Kollision schwer verletzt und waren im Lokführerstand eingeklemmt. Die fünf Fahrgäste des Regionalzuges erlitten leichte Verletzungen.
Erste Rettungsmaßnahmen:
Unmittelbar nach dem Unfall trafen Feuerwehr, Polizei und Bundesgrenzschutz am Einsatzort ein und übernahmen die Rettung der verletzen Personen. Die nahegelegene Bundesstraße wurde vorübergehend gesperrt und auf dem angrenzenden Feld ein Hubschrauberlandeplatz eingerichtet.
Nach Abschluss der Rettungsmaßnahmen verließen die eingesetzten Feuerwehren die Einsatzstelle, Bundesgrenzschutz und Polizei verblieben an der Schadensstelle.
Alarm für das Technische Hilfswerk:
Kurz vor 9:00 Uhr wurde für die Schnelleinsatzgruppen des OV Berlin-Reinickendorf, des OV Gransee und des OV Neuruppin Alarm ausgelöst.
Gegen 11:00 Uhr trafen die in Marsch gesetzten Einheiten mit drei Gerätekraftwagen (GKW), einem Mannschaftstransportwagen (MTW) und dem Einsatzleiter vom OV Potsdam an der Schadensstelle ein.
Auftrag:
Der leitende Sicherheitsnotfallmanager der Deutschen Bahn AG wies den THW-Einsatzleiter an, den eingesetzten Hilfszug vom Bahnhof Berlin-Lichtenberg bei den Trennarbeiten der ineinander verkeilten Loks und Personenwagen zu unterstützen und die Bahnstrecke schnellst möglich von dem weitgehend zerstörten Triebwagen des Regionalzuges zu beräumen.
Nach Abschluss der Gleisberäumung sollte die Blackbox (Fahrtenschreiber) des Triebwagens geborgen und der Polizei übergeben werden.
Auftragsausführung:
Zur Schaffung eines freien Einsatzfeldes wurden die Bäume zwischen der Kollisionsstelle und der Bundesstraße auf ca. 20 m Länge gerodet. Lediglich ein ca. 60 cm starker Baum am Straßenrand wurde als Fixpunkt für Umlenkrollen stehengelassen und mit einer Holzverschalung versehen.
Mit Unterstützung der Lok des Hilfszuges wurden die verunglückte Lok und der Triebwagen getrennt. Mit einer entsprechenden Kette wurden die getrennten Loks wieder miteinander verbunden, um somit den auf ca. 2 m Höhe angehobenen und stark gestauchten Triebwagen des Regionalzuges erneut mit Hilfe des Lok des Hilfszuges auf das Gleis herunter zu ziehen.
Ziel war nun, mit Hilfe zweier GKW-Seilwinden den nicht mehr rollfähigen Triebwagen auf die gerodete Fläche umzuwerfen und ihn somit zur Straße hin über sein Dach hinweg zu rollen. Zunächst musste jedoch der Triebwagen von dem nachfolgenden Wagen getrennt werden. Zu diesem Zweck wurden mit einer Brechstange Löcher in das Dach am Ende des Triebwagens gestochen, welche anschließend als Ausgangspunkt für den Einsatz der Rettungsschere dienten. Erst jetzt bestand die Möglichkeit, allein den Triebwagen auf die Seite zu werfen.
Bevor der Triebwagen mit Hilfe zweier GKW-Seilwinden zur Straße hin gekippt werden konnte, wurde der Wagen auf der entgegengesetzten Seite mit zwei Hebekissen bereits soweit angehoben, dass dieser dem Kippscheitelpunkt wesentlich näher kam. Der Triebwagen kippte kontrolliert auf die Seite, wobei er leider die Stahlseile einklemmte. Erst mit Hilfe eines dritten GKW konnten die Stahlseile wieder befreit werden. Das Verfahren wurde fortgesetzt, bis der Triebwagen eine Rolle von 270 ° hinter sich hatte.
In dem zerstörten Lokführerstand des Triebwagens konnten nun die Arbeiten zum Ausbau der Blackbox beginnen. Durch Vertreter der Deutschen Bahn AG wurde der ungefähre Einbauort im Lokführerstand beschrieben, das genaue Aussehen der Blackbox selber kannte jedoch niemand. Nachdem die Blackbox gefunden war, dauerte das Herausschneiden noch ca. 30 Minuten, da eine große Zahl von umfangreichen Kabelverbindungen zerschnitten werden mussten. Obwohl der Lokführerstand vollkommen zerstört und um ca. 1,5 m zusammengeschoben war, wies die Blackbox keine äußerlichen Beschädigungen auf. Unmittelbar nach dem Ausbau beschlagnahmte die Polizei die Blackbox.
Die an das THW gestellten Aufgaben waren somit ausgeführt. Gegen 19:15 Uhr verließen die THW-Einheiten den Einsatzort.
Am Rande bemerkt:
Bei der Trennung der ineinander verkeilten Züge ging von eingeklemmten Puffern eine nicht überschaubare Gefahr aus. Es musste mit einer unter starker Spannung stehenden Pufferfeder gerechnet werden, weshalb eine behutsame Demontage vor weiteren Bergungsmaßnahmen zwingend erforderlich war.
Die entgleiste 64 t Lok des Leerzuges wurde von Mitarbeitern der Deutschen Bahn AG mit Hilfe zweier solider kleiner Aufgleisrampen innerhalb weniger Minuten aufgegleist.
Die Zusammenarbeit zwischen dem einsatzerfahrenen Ortsverband Berlin-Reinickendorf und den jungen Ortsverbänden Gransee und Neuruppin, sowie zwischen THW und BGS funktionierte einwandfrei.
Der Länderverband ermöglichte eine schnelle und effektive Öffentlichkeitsarbeit.
Schlusswort:
Nachdem erst vor kurzer Zeit die Verhandlungen über eine Zusammenarbeit von Technischem Hilfswerk und der Deutschen Bahn AG erfolgreich beendet wurden, erfüllt dieser Einsatz die beschlossene Zusammenarbeit bereits sehr frühzeitig mit professionellem Leben.